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Wir können nur Jungs

Wir können nur Jungs Andrea Harmonika Jedemanfangwohnteinverdammterzauberinne Foto: Andrea Litzenburger

Wir können nur Jungs Andrea Harmonika Jedem Anfang wohnt ein verdammter Zauber inne Foto: Andrea Litzenburger

Immer, wenn ich an der Supermarktkasse mit meiner Mutter verwechselt werde, mache ich einen Termin bei Helia. Helia ist meine Friseurin und die bildschöne Version eines persischen Hobbits. Am liebsten möchte ich ihr jedes Mal zur Strafe ihre ebenholzfarbenen Locken langziehen, wenn sie mir meine nassen dünnen Haare um mein Mondgesicht herum scheitelt. Als wäre der schwarze Rollkragenkittel am grell ausgeleuchteten Fensterplatz nicht schon schlimm genug.

Jedenfalls saß ich neulich wieder bei ihr, damit sie mich 20 Jahre jünger färbt, als es gleich zu Anfang aus ihr herausplatzte. Der Franz solle mir noch ein Baby machen. Unbedingt. Helia ist nämlich nicht nur sehr direkt („Pony? Mach isch nisch. Sieht scheiße aus bei dir!“), sondern auch wieder schwanger und doppelt aus dem Häuschen, seit sie das Geschlecht ihres neuen Babys kennt. Ich winkte lächelnd ab und versicherte ihr, dass ich mit den Jungs mehr als ausgelastet sei. Daraufhin verdrehte sie nur ihre Augen.

„Isch meine doch ein Meeedschen, Liebes“, seufzte sie und zog das Wort Meeedschen zärtlich in die Länge. „Für später. Jungs hast du jetzt. Mama hier, Mama da. Kusskuss. Mama ist Beste. Und kaum sind Jungs groß: Tschüß! Pfschhhh …“
Sie deutet mit dem Blondierungspinsel in der Hand eine Wegwerfgeste über ihre Schulter an, bevor sie seufzend fortfährt: „Aber ein Meeedschen … ein Meeedschen hast du für immer.“

Ach Helia, wenn du wüsstest, wie oft ich dieses Gespräch schon geführt habe.
Wenn man nämlich wie wir nur eine Sorte Kinder hat, bekommt man ständig zu hören, was man alles verpasst. In meinem Fall reicht die Liste traditionell von Flechtfrisuren und Hilfe im Haushalt, über vererbten Schmuck und gemeinsames Sissi-Taschentuchkino, bis hin zu den regelmäßigen Anrufen im Altersheim, die man scheinbar knicken kann, wenn man nur Söhne großzieht. (Das Gleiche in grün, pardon, blau, bekommt übrigens auch immer ein bekannter Vaterfreund zu hören, der beim Befruchtungslotto drei Töchter gezogen hat und deshalb, so die allgemeine Verunsicherung, leider niemals ein Baumhaus hochziehen, die F-Jugend anschreien oder eine Carrerabahn zusammenschrauben wird.)

Dabei ist meine Mutterschaft mit den dauerraufenden Kampfrülpsern gar nicht so trostlos, wie oft angenommen wird. Tatsächlich durfte hier auch schon Ronja Räubertochter vorgelesen werden und Tinkerbell und die Piratenbraut über den Bildschirm flattern. Bereits unzählige Male wurden mir herrlich bescheuerte Flechtfrisuren auf dem Kopf zusammengezimmert, und selbst die ein oder andere Bremsspur im Bad konnte bereits ohne weibliche Unterstützung entfernt werden.

So reagiere ich immer auf diese Art von Unterhaltungen: Schulterzucken. Lachen. „Presswehen, nein danke!“ Und wenn mir im Frühjahr wieder jemand feixend in die Rippen schubst, weil der Storch vor unserem Haus gelandet ist, werde ich wie immer „Nix da!“ grinsen und mit einer unsichtbaren Schrotflinte auf sein Nest feuern.

Stattdessen könnte ich aber auch sagen, dass es ein großes Glück ist, dass es dieses kleine, Kettcar fahrende Glück auf unserem Hof überhaupt gibt.
Ich könnte erzählen, dass bereits sechs Schwangerschaften nötig waren, um diese beiden Kinder abends zuzudecken.
Oder aber, dass es gar nicht stimmt, dass wir nur Jungs können. Aber wer möchte schon in einer augenzwinkernden Unterhaltung gerne hören, dass das Herz unseres kleinen Mädchens bereits in der 14. Schwangerschaftswoche wieder aufgehört hat, zu schlagen?

Denn genau darin liegt das Problem in der augenzwinkernden Unterhaltung über Familienplanung. Niemand weiß, ob hinter all dem Abwinken und Scherzen vielleicht etwas anderes als eine Anekdote steckt. Vielleicht ein dumpfer, unsichtbarer Schmerz aus geplatzten Elternträumen und positiven Schwangerschaftstests, die nach viel zu kurzer Zeit wieder im Plastikmüll gelandet sind. Und das sind nicht die einzigen Landminen, die man mit ungebetenen Fragen auslösen kann, sobald man das Fortpflanzungsterritorium fremder Leute betritt. Fragen Sie doch mal kinderlose Paare, „Ein-Kind ist kein Kind“-Eltern oder Singles über 30. (Nicht. Fragen Sie sie nicht. Niemals! Egal wie sehr Ihnen die Frage nach der Fruchtbarkeit Ihres Gegenübers unter den Nägeln brennt.)

Dabei sollte man doch eigentlich annehmen, dass gerade Frauen eine gewisse Routine im Umgang mit Fragen rund um ihre Familienplanung haben müssten. Ich selbst gebe doch bereits seit meinem 17. Lebensjahr darüber Auskunft, nachdem man mir schon meinen allerersten Arbeitsvertrag erst über den Schreibtisch geschoben hat, nachdem ich versicherte, dass meine Gebärmutter noch für viele Jahre hormonell versiegelt sei. Natürlich mit dem augenzwinkernden Hinweis, dass die Frage ja streng genommen nicht erlaubt sei. Hehe. Eine Menge Leute scheinen wirklich zu glauben, dass ihr Augenzwinkern jegliche Verletzungen von Privatsphäre neutralisieren würde.

Tja, Helia. All diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, während der mittlerweile unter einer Trockenhaube steckt. Aber dennoch will ich keinen einzigen davon aussprechen. Zum einen, weil ich nicht über Komplikationen in der Schwangerschaft reden möchte, wenn ich mich auf Augenhöhe mit einem Babybauch befinde. Aber vor allem, weil ich durch meine Geschichte nicht den falschen Rückschluss wecken möchte: dass es sich bei meinen Söhnen um B-Ware handelt.

Ja, es mag sein, dass mir an manchen Tagen vielleicht eine Träne mehr aufs Kissen tropft, während ich Gilmore Girls schaue. Aber deshalb sind meine Söhne noch lange keine Trostpreise. Sie sind mein Hauptgewinn. Mein innigster Stolz. Und so wie man am Abend in unserem Bett keine einzige Stelle finden wird, welche nicht von den beiden Herzenskindern warmgefurzt wurde, gibt es auch in meinem Herzen keinen einzigen Winkel, der nicht von der Liebe und Dankbarkeit für diese beiden Kinder durchdrungen ist.

Und als Helia mir am Ende mein frisch gefärbtes Bandhaar über ihre Rundbürste föhnt, ist es genau das, worüber wir schließlich reden:

Über diese hintersten Winkel.
Und genau die Kinder, die jedem von uns irgendwann bestimmt worden sind.

 

Für meine Kinder.
Für alle meine Kinder.

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Anmerkung:
Dieser Text stammt aus meinem Buch
„Jedem Anfang wohnt ein verdammter Zauber inne: Vom Sinn und Unsinn mitKindern“.

Und weil man das überall im Handel oder Internet kaufen kann, (und ich nicht mit Julian Assange hinter schwedischen Gardinen landen möchte) kommt jetzt das hier:

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